Liebe Leserinnen und Leser,
ja, es wird dunkler im November. Aber es gibt auch helle Nachrichten. Und die kommen vom Solarstrom. Der hat sich in diesem Jahr in Deutschland als ziemlicher Renner entpuppt, sein Ausbau ist viel schneller vorangekommen als erwartet. Bereits im August battle das diesjährige Zubauziel von neun Gigatonnen schon erreicht, derzeit liegt es bei elf Gigatonnen. Das ist stattlich. Aber das Wachstumstempo muss in den nächsten Jahren noch anziehen. Denn bis 2030 sollen erneuerbare Energien 80 Prozent im Energiemix ausmachen. Und dazu muss die Leistung der Solaranlagen – derzeit 70 Gigawatt – bis 2030 auf 215 Gigawatt steigen. Das sieht das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) so vor. Mein Kollege Johannes Christ hat die aktuelle Datenlage hier umfassend mit Grafiken aufgearbeitet.
Was den Solarboom in diesem Jahr befeuert hat? Verschiedene Gründe. Einer davon: Fotovoltaikanlagen sind deutlich billiger geworden – und zwar sowohl für Dächer als auch für Balkone. Viele wollen mit dem selbst erzeugten Solarstrom auf lange Sicht Geld sparen und vor Preissprüngen durch den Stromanbieter sicher sein. Auch Unternehmen legen sich deshalb immer häufiger eigene Solaranlagen zu. Denn durch die Streichung der Mehrwertsteuer auf Solaranlagen spart man 19 Prozent der Kosten.
Funktioniert auch am Altbau: Solarmodule für ein sogenanntes Balkonkraftwerk am Balkon.
© Quelle: Jens Büttner/dpa/Symbolbild
Ein weiterer Grund: Die Ampelkoalition will beim Ausbau der Solarenergie in Deutschland Tempo machen. Der Run auf das Förderprogramm der KfW im September zeigte, wie hoch das Interesse bei Hausbesitzerinnen und -besitzern ist: Binnen eines Tages waren die 300 Millionen Euro vergeben. Bis zu 10.200 Euro konnten Hausbesitzer und -besitzerinnen für eine Dachanlage beantragen. Nach 24 Stunden waren 33.000 Anträge gestellt, der Topf fürs Erste leer – und es gab durchaus Kritik, weil hier vor allem Bessergestellte zum Zuge kamen. Im Textual content meines Kollegen Timm Lewerenz dazu finden Sie weitere Fördermöglichkeiten, die infrage kommen könnten, wenn Sie beim KfW-Programm zu spät dran waren.
Aber auch im kleineren Rahmen und für Mieterinnen sowie Mieter gab es einen Solarboom: Vom Balkon aus lieferten Stand Anfang Oktober mehr als 300.000 Balkonanlagen Sonnenstrom für die Steckdose. Wann sich eine solche Anschaffung lohnt, hat Sebastian Hoff für Sie aufgeschrieben. Der Betrieb eines Balkonkraftwerks soll ab 2024 noch deutlich einfacher werden, für gewerbliche Betreiber fallen ebenfalls bürokratische Hürden weg. Auch in Mehrfamilienhäusern und für Mieterinnen und Mieter wird es künftig einfacher, gemeinsam eine Solaranlage zu nutzen.
Wie in diesem Beispielfoto des Fraunhofer-Instituts sind Agri-Solaranlagen so gebaut, dass darunter Landwirtschaft noch möglich ist.
© Quelle: Fraunhofer ISE
In Zukunft soll Sonnenenergie zudem nicht nur auf Gewerbedächern oder Parkplätzen „geerntet“ werden, sondern auch auf überbauten Agrarflächen, so sieht es das EEG vor. Bei der sogenannten Agri-Fotovoltaik werden Anbauflächen bepflanzt und außerdem mit Solarmodulen ausgestattet. Die Panels sind schwenkbar und über oder zwischen den Anpflanzungen montiert. Das Smarte daran: Zum einen können die Flächen doppelt genutzt werden. Zum anderen sind die Pflanzen vor Starkregen, Hagel und extremer Sonne geschützt, und auch Tiere können unter den Panels weiden. Agri-Fotovoltaik soll laut Solarpaket der Bundesregierung bis zu 15 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen beanspruchen, reine Solarparks langfristig etwa höchstens bis 1,5 Prozent.
Unter Agri-Solaranlagen können Pflanzen wachsen und Kühe weiden
Sogar Moore kommen als Standorte für eine solche Doppelnutzung infrage. Genauer gesagt, wiedervernässte Moore. Das Wiedervernässen trockengelegter Moorflächen ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz und auch Teil des Inexperienced Offers, des europäischen Maßnahmenpakets dazu: Denn nur nasse Moore binden dauerhaft die immensen Mengen CO₂, die sie im Laufe der Jahrhunderte aufgenommen haben. Landwirte können auf diesen wiedervernässten Flächen, in denen der Torf erhalten bleibt, dann Solarstrom erzeugen – und in Zukunft gleichzeitig Schilf, Rohrkolben oder andere Pflanzen anbauen, die als Dämm- oder Baustoffe infrage kommen. Hierzu wird derzeit geforscht.
Aber wer liefert die Technologie für all das? Derzeit vor allem China, und das zu Dumpingpreisen. Deutschland, namentlich Ostdeutschland, das in den 2010er-Jahren die Nase weltweit vorn hatte in Sachen Solarzellen, erholt sich nur langsam davon, dass die CDU/FPD-Bundesregierung 2012 dem deutschen „Photo voltaic Valley“ in Sachsen und Sachsen-Anhalt den Stecker zog. Damals battle unter anderem die bestehende Einspeisevergütung für Solarstrom aus Privathaushalten gekappt und der geförderte Gesamtausbau begrenzt worden.
Aber: Die Solarindustrie kehrt zurück nach Sachsen – und sucht nun den europaweiten Schulterschluss. Denn die Voraussetzungen sind noch nicht optimum, um den aktuellen Technologievorsprung auch umzusetzen. Die Branche hat Sorgen, dass Deutschland seine zweite Probability wegen hoher Energiepreise, zu viel Bürokratie und maroder Infrastruktur verspielt. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte dazu im September Vertreter mehrerer Bundesländer und aus der Wirtschaft nach Berlin geladen, um über den Zustand der deutschen Solarindustrie zu sprechen. Das Gesamtszenario hat mein Kollege Frank-Thomas Wenzel schon vor Längerem hier vorausschauend zusammengefasst.
Ein Mitarbeiter steht bei der Qualitätskontrolle an einer Produktionslinie für Solarmodule.
© Quelle: Sebastian Kahnert/dpa/Archiv
Schnelligkeit ist additionally gefragt. Denn bereits vor 2050 könnte Sonnenenergie weltweit zur wichtigsten Energiequelle werden – davon sind britische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Uni Exeter überzeugt. Die Technologie sei bereits auf die Gleise gesetzt und würde sich auch ohne weitere Anreize, Fördergelder oder selbst bei strengeren Klimazielen durchsetzen, schreiben sie in einer neuen Studie. Es gebe schon heute einen „Positivkreislauf“ – denn nicht nur für alle, die das Klima schützen wollen, sondern auch für die, denen der Klimawandel schlicht egal ist, sei Solarenergie inzwischen ein sehr lohnendes Funding. Das sind – unterm Strich und insgesamt – doch helle Nachrichten.
Bis zur nächsten Woche
Ihre Andrea Barthélémy
Was kann ich tun?
© Quelle: Foto von Helena Lopes: https://www.pexels.com/de-de/foto/vier-personen-die-auf-klippe-vor-der-sonne-stehen-697243/
Zum Beispiel: Dinge teilen. Das Angebot reicht von Autos über Unterkünfte bis zum Akkubohrer: Auf Sharing-Plattformen kann man Geld und Ressourcen sparen, indem man Dinge ausleiht oder mietet, statt sie zu kaufen. Aber wie sinnvoll ist das Prinzip für die Umwelt tatsächlich? Hängt ganz davon ab, wie man es nutzt, schreibt mein Kollege Ben Kendal. Denn über die Wohnungsplattform Airbnb zu buchen, um mit dem eingesparten Geld dann umso häufiger in Urlaub zu fahren, ist nicht unbedingt nachhaltig. Ähnlich sieht es aus, wenn man durch Carsharing häufiger Auto fährt, statt Bahn oder Rad zu nehmen. Was in der Regel jedoch beim ökologischen Fußabdruck punktet: nachbarschaftliche Plattformen zu nutzen, um Dinge zu verschenken, zu tauschen oder auszuleihen. Das ist zum Beispiel über ein Portal wie nebenan.de möglich. Bei Menschen in der Nähe kann man sich einen Fonduetopf leihen, aber auch Secondhand-Umzugskartons oder Hundesitter finden. Ganz schön praktisch.
Das macht Hoffnung
Ein Taucher prüft die Asparagopsisalgen, die in Triabunna vor der Ostküste Tasmaniens gezüchtet werden.
© Quelle: Algen
Wenn Kühe Algen fressen, dann pupsen und rülpsen sie weniger und stoßen so weniger Methan aus. Würden nur 15 Prozent der weltweiten Rinderinhabitants Algen ins Futter gemischt, so könnten die globalen Emissionen des stark wärmenden Treibhausgases um drei Gigatonnen reduziert werden. In Triabunna auf einer Halbinsel an der Ostküste Tasmaniens wächst der wertvolle Seetang Asparagopsis in einer großen Unterwasserfarm. Betrieben wird sie vom Australier Sam Elsom, der aus dem Algenextrakt ein Futterergänzungsmittel herstellt. Untersuchungen deuten darauf hin, dass nur sehr wenig Asparagopsis in das Futter eines Wiederkäuers eingestreut werden muss, um die Methanemissionen deutlich zu senken. Und: Die Alge ist zwar in den Gewässern um Australien und Neuseeland beheimatet, aber vielseitig genug, um in anderen Teilen der Welt an Land oder im Meer angebaut zu werden, schreibt meine Kollegin Barbara Barkhausen.
Was diese Woche wichtig battle
Der Ausblick
Komplette Selbstversorgung lohnt sich meist nicht: Ein Solardach auf einem Einfamilienhaus in Deutschland bei sonnigem Wetter.
© Quelle: IMAGO/blickwinkel
Wer plant, Geld zu sparen, indem er sein Einfamilienhaus durch Solaranlagen komplett eigenständig mit Strom und Wärme versorgt, der sollte diese neue Studie kennen: Forschende vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben berechnet, dass vollständige Energieautarkie heute und auch in Zukunft finanziell kaum Sinn macht. Dazu bezogen sie 41 Millionen Einfamilienhäuser europaweit ein. Theoretisch könnte demnach zwar heute schon mehr als die Hälfte der mit Solaranlagen bestückten Häuser Energieselbstversorger sein und der Anteil könnte bis 2050 noch auf 75 Prozent steigen. Aber die Kosten lägen in den allermeisten Fällen mindestens 50 Prozent über denen einer Netzversorgung, oftmals sogar noch deutlich höher. Etwas günstiger könne es mit einem optimalen Energiemix aus Solaranlagen, verschiedenen Energiespeichern, Wärmepumpen und Isolierung aussehen. Auch ein anderer Grund spricht dafür, zumindest zu Teilen am Stromnetz zu bleiben: Dann können die Energiesysteme der Gebäude – etwa Batteriespeicher – nämlich helfen, bei Schwankungen das Netz zu stabilisieren.
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