Bebt in Bern oder Basel die Erde, sollen Hausbesitzer schweizweit zahlen
Professional Million an Immobilienwert sollen bis zu 7000 Franken solidarisch an Erdbebenopfer bezahlt werden – so will es der Bundesrat. Aber der Vorschlag stösst auf Widerstand.
Für die meisten Schweizer Immobilienbesitzerinnen und -besitzer würde es heute den Totalverlust bedeuten, wenn ein Erdbeben ihr Haus zerstörte. Nur 15 Prozent von ihnen haben eine Versicherung für solche Fälle abgeschlossen. Noch verheerender wäre ein derartiges Erdbeben für jene, die keine Versicherung haben, stattdessen jedoch eine Hypothek.
Das ist eine gefährliche State of affairs: Erdbeben gehören nach Einschätzung des Bundes neben Pandemien und Strommangellagen zu den grössten Risiken des Landes. Im Vergleich zu anderen Naturgefahren treten sie zwar sehr selten auf, können aber so hohe Schäden nach sich ziehen, dass die Volkswirtschaft auf lange Sicht geschädigt wird.
Der Bundesrat hat darum im Auftrag des Parlaments im Dezember eine Vorlage in die Vernehmlassung gegeben, die dem Drawback beikommen soll: Er will alle, die Immobilien besitzen, mittels einer sogenannten Eventualverpflichtung absichern.
Im Falle eines grösseren Erdbebens müssten dabei alle Hausbesitzerinnen und -besitzer bis zu 0,7 Prozent des Versicherungswerts ihres Gebäudes bezahlen, um die Opfer zu entschädigen. Für ein Haus mit einem versicherten Wert von einer Million Franken würden additionally einmalig 7000 Franken fällig – auch dann, wenn das Gebäude nicht vom Erdbeben betroffen wäre.
Bei grösseren Schäden müsste wohl der Staat einspringen
Es handelt sich dabei um eine Nachfinanzierung. Sie ist von einem klassischen Versicherungsmodell zu unterscheiden, bei dem die Kundschaft ihre Prämien im Voraus zahlt.
Die 0,7 Prozent sind so berechnet, dass sich die kumulierte Summe mit der aktuellen Bausubstanz der Schweiz auf 22 Milliarden Franken belaufen würde. So hoch ist im Second laut dem Bund der maximale Schaden eines Erdbebens, das alle 500 Jahre vorkommt. Eingerechnet sind hierbei nur Schäden an Gebäuden und keine Möbel oder anderer Hausrat.
Fiele die totale Schadenssumme tiefer aus, würden die Immobilienbesitzer weniger stark belangt. Bei stärkeren Beben ist dagegen davon auszugehen, dass sich – ähnlich wie während der Corona-Pandemie – der Staat finanziell engagieren würde.
Die teuersten Gebäude sind ausgenommen
Neben der Einführung der Erdbebenabsicherung für alle will sich der Bundesrat das Recht geben lassen, Vorschriften zum Schutz vor Erdbeben zu erlassen. Bisher liegt das in der Kompetenz der Kantone. Für beide Schritte schlägt der Bundesrat eine Verfassungsänderung vor.
Für die Particulars dagegen bräuchte es eigene Gesetze. Ein Vorschlag des Bundesrats hierfür lautet, dass die Zahlungen durch einen Entscheid des Bundesrats ausgelöst würden. Neben den Schäden durch das ursprüngliche Beben sollen auch solche aus Nachbeben im Zeitraum von 30 Tagen gedeckt sein.
Nicht gelten soll das Instrument für Liegenschaften des Bundes und jene 6500 Gebäude im Land, die einen Wert von über 25 Millionen Franken aufweisen. Einerseits würde diese Ausnahme laut dem Bund den Prozess im Schadenfall vereinfachen, andererseits träfe sie hauptsächlich «institutionelle Anleger oder grössere Unternehmen mit professionellem Risikomanagement».
Wichtige Akteure äussern sich negativ zum Vorhaben. Ihr Hauptargument: Der Staat soll sich aus dem privaten Markt heraushalten.
«Es gibt kaum ein Risiko, das so intestine versicherbar ist wie ein Erdbeben», sagt Eduard Held vom Schweizerischen Versicherungsverband. Unter anderem nennt er die «Zufälligkeit des Ereignisses» und die «Berechenbarkeit der Schadenserwartung».
Unterstützung erhält er vom stets staatskritisch eingestellten Hauseigentümerverband. «Wehret den Anfängen», schreibt dieser in einer Stellungnahme. Nachdem die Politik sich auf eine erste solche Speziallösung eingelassen habe, könne bald die nächste folgen: «Zu denken ist dabei beispielsweise an Risiken wie Hochwasser, Hagel oder Pandemien.»
Die Wahrscheinlichkeit für einen solchen gesetzgeberischen Dammbruch dürfte jedoch tief sein. Bei der Absicherung gegen schwere Erdbeben handelt es sich um eine sehr spezifische Gemengelage: Das Ereignis ist anders als bei Hagelstürmen oder Hochwasser äusserst selten, der Schaden dafür riesig.
Weiter magazine das Risiko aus Sicht der Unternehmen zwar intestine versicherbar sein. Doch ist die Nachfrage so gering, dass nicht von einem funktionierenden Markt gesprochen werden kann.
Viele sind falsch informiert
Das kann verschiedene Gründe haben: Gemäss einem Bericht des Bundesrats gehen viele der Nichtversicherten wohl davon aus, dass die Feuer- und Elementarschadenversicherung für ihre Immobilie das Risiko eines Erdbebens bereits abdeckt. Eine solche abzuschliessen, ist in den meisten Kantonen obligatorisch.
Allerdings sind nur Eigentümer im Kanton Zürich dadurch gegen Erdbebenschäden von whole bis zu einer Milliarde Franken versichert. Zudem würden die kantonalen Gebäudeversicherungen heute freiwillig zwei Milliarden auszahlen. Die Schäden eines schweren Erdbebens würden diese Beträge aber bei weitem übersteigen.
Andere Hausbesitzerinnen und -besitzer halten ein schweres Erdbeben möglicherweise für so unwahrscheinlich, dass sie eine Versicherung nicht für nötig halten. Das letzte starke Beben in der Schweiz ereignete sich 1946; es hatte eine Magnitude von 5,8 und forderte im Wallis drei Tote.
Das stärkste, über das heute Schätzungen angestellt werden können, ereignete sich 1356 in Basel. Es hatte eine Magnitude von 6,6 und forderte 3000 Todesopfer. Ein solches Beben würde heute Schäden von rund 45 Milliarden Franken anrichten. (Lesen Sie hier unsere Analyse dazu, was ein Erdbeben an Ihrem Wohnort anrichten würde.)
Nochmals anderen dürfte die Prämie zu hoch sein: Für ein Haus mit einer Million Franken Versicherungswert kostet eine Police heute mehrere Hundert Franken professional Jahr. In Regionen mit höherem Erdbebenrisiko wie dem Baselbiet oder dem Wallis sind die Beträge zudem deutlich höher als anderswo in der Schweiz.
Die 0,7 Prozent des Gebäudewerts, die die vorgeschlagene Lösung des Bundes dereinst einmal kosten könnte, bezahlen Versicherungsnehmer mit ihren Prämien heute additionally innert weniger Jahre. Die Gegner der Vorlage führen allerdings ins Feld, dass hier Äpfel mit Birnen verglichen würden: Bei den heute erhältlichen Policen beträgt der Selbstbehalt jeweils zwischen 10’000 und 20’000 Franken. Der Bundesrat dagegen schlägt einen Selbstbehalt von fünf Prozent des Gebäudewerts, mindestens aber 25’000 Franken vor.
Hinzu kommt laut den Gegnern, dass es schwierig werden dürfte, Immobilieneigentümerinnen und -eigentümer zu einer Zahlung zu zwingen. Die aktuelle Lösung sieht vor, dass sich der Bund für solche Fälle mittels Grundbucheintrag absichert.
Diese Fragen werden allerdings frühestens in einigen Jahren geklärt. Nach Ende der Vernehmlassung Mitte März wird der Bundesrat dem Parlament in einigen Monaten einen Vorschlag für eine Verfassungsänderung unterbreiten. Stimmt es zu, würde zwingend eine Abstimmung durch Volk und Kantone folgen. Erst dann dürfte sich wiederum der Bundesrat um die Particulars kümmern.
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